Eigentlich…

…darf die Aufklärung der Patienten vor ärztlichen Behandlungen über die Diagnose, die geplante Behandlung, mögliche Risiken, Alternativen und auch über wirtschaftliche Fragen nur von ärztlichem Personal erfolgen. Zudem muss sie persönlich oder ausnahmsweise telefonisch vorgenommen werden und dazu – aber nicht ausschließlich – schriftlich. Ein nicht ordnungsgemäß aufgeklärter Patient kann nicht wirksam in seine Behandlung, die eine Körperverletzung darstellt, einwilligen. Soweit die Theorie. Die Praxis sieht wohl angesichts der Arbeitsbelastung deutlich anders aus.

„Kassen lehnen hunderttausendfach Leistungen ab“

Spiegel Online berichtet dieser Tage darüber, dass die Gesetzlichen Krankenkassen durch die MDK  es „hunderttausendfach“ ablehnten, Leistungsanträgen ihrer Versicherten zu entsprechen.

Liest man den Artikel, dann wird zunächst schnell deutlich, dass diese hohen absoluten Zahlen, die der „Spiegel“ für seine Überschrift genutzt hat, vor allem auf der großen Anzahl an Leistungsanträgen beruhen.

Verbraucherzentralen, Sozialverbände usw. verurteilten diese Ablehnungspraxis der MDK, insbesondere „für die Betroffenen ist die Situation kaum auszuhalten“, heißt es in dem Artikel. Dies soll nicht bestritten werden. Es ist unstreitig, dass Leistungen auch zu unrecht abglehnt werden und das hierunter gerade Kranke – und das sind fast alle Antragssteller – zu leiden haben. Auch lässt sich kaum leugnen, dass die Ablehnung von Leistungen dort am einfachsten möglich ist, wo die Betroffenen am wenigsten in der Lage sind, sich zu wehren, sei es durch eigenes Tätigwerden, durch Patientenberatungen oder durch Rechtsanwälte.

Ärgerlich ist jedoch, dass der „Spiegel“ nicht ein Wort zu einem anderen, genau so unstreitigen Aspekt verliert: Der angebotsinduzierten Nachfrage. Es ist seit langem bekannt, dass die Leistungserbringer die eigentlichen Nachfrager sind, weil sie den Leistungsbedarf der Versicherten, den diese dann bei ihren Krankenkassen beantragen, definieren. Ebenso bekannt ist, dass mit einer steigenden Zulassung von Leistungserbringern nicht etwa die Nachfrage – d.h. Krankheitsfälle und damit auch Leistungsanträge – annähernd konstant auf die Leistungserbringer verteilt wird, sondern vielmehr steigt. Auch über die kräftig werbende Rolle von Arnzeimittel-, und Medizinprodukteindustrie, von Hilfsmittelherstellern usw., die bis in die Praxen hineinreicht, verliert der „Spiegel“ leider kein Wort.

Gesundheitspolitik und Gesundheitsrecht zur Bundestagswahl – Teil II: SPD

Das – übrigens sehr bunte – Wahlprogramm der SPD ist nicht minder selbstbewusst als das der Unisonsparteien, bezeichnet es sich doch als „Regierungsprogramm“.

Inhaltlich unterscheidet sich in gesundheitspolitischer Hinsicht in einer wesentlichen Kernforderung von dem der CDU/CSU: Die SPD fordert die Einführung einer sog. „Bürgerversicherung“ (S. 73), d.h. einer Versicherungspflicht für alle Bürgerinnen und Bürger. Bisher in der PKV Versicherte sollen eine Wechselmöglichkeit erhalten, alle Neuversicherten in die GKV kommen müssen (S. 73). In den Rot-Grünen-Jahren unter Kanzler Schröder wurde dies nicht umgesetzt.

Abschaffen will die SPD die unter der derzeitigen Regierung eingeführten Reduzierungen der Arbeitgeberanteile für die GKV, hier sollen Arbeitnehmer- und Arbeitgeber wieder gleich hohe Beiträge zahlen müssen (S. 73).

Die für die Leistungserbringer, d.h. insbesondere die Ärzte, wohl bedeutenste Forderung der SPD ist die Angleichung der Vergütung in GKV und PKV einerseits und im ambulanten wie im stationären Bereich andereseits (S. 73). Ersteres dürfte wahrscheinlich zu massiven Einnahmeverlusten bei den Leistungserbringern bei gleichzeitiger Entlastung der PKV-Patienten führen (die die SPD eigentlich belasten will), ist es doch kaum denkbar, dass die Partei das GKV-Vergütungsniveau auf das der PKV anheben will. In diesem Fall wären entweder enorme Beitragssatzsteigerungen oder Leistungsausgrenzungen die Folge. Die IGel-Leistungen sollen zurückgedrängt werden (S. 76).

Für die ambulante Versorgung im ländlichen Raum (S. 74f) bleibt die SPD ähnlich vage wie CDU/CSU, auch hier wird von der Stärkung der Leistungserbringer, von der Zusammenarbeit der Haus- und Fachärzte unter Lotsenfunktion ersterer usw. gesprochen (S. 75).

Im Bereich der Arnzeimittel sollen „Scheininnovationen“ zurückgedrängt werden (S. 76), ohne das deutlich wird, wie dies geschehen soll. Die Marktüberwachung für Medizinprodukte soll ebenso verbessert werden wie die Patientenrechte  und die Korruptionsbekämpfung (S. 76).  Wie all dies umgesetzt werden soll, verrät das Wahlprogramm nicht.

Einen größeren Raum nimmt bei der SPD die Versorgung chronisch Kranker (S. 76) und Pflegebedürftiger (S. 77f) ein.

Gesundheitspolitik und Gesundheitsrecht zur Bundestagswahl – Teil I: CDU/CSU

In loser Folge sollen angesichts der im September anstehenden Bundestagswahlen die gesundheitspolitischen und gesundheitsrechtlichen Aussagen einiger Parteien vorgestellt werden. Begonnen werden soll dabei mit dem Wahlprogramm der Union, welches sich selbstbewusst „Regierungsprogramm 2013-2017“ nennt.

Auf Seite 74 des veröffentlichen Programmes heißt es dazu unter anderem:

„CDU und CSU wollen, dass auch in Zukunft jeder in Deutschland Zugang zu einer guten medizinischen Versorgung hat, unabhängig von seinem Einkommen, Alter oder gesundheitlichen Zustand.“

Ziel sei ein „solidarisches Gesundheitswesen, in dem Hilfe für Kranke und Ältere sowie Eigenverantwortung zwei Seiten ein und derselben Medaille sind.“ (S. 75)

Zu diesem Zwecke soll u.a. der Hausarztberuf attraktiver werden, wozu nach Ansicht von CDU/CSU auch das bereits verabschiedete GKV-Versorgungsstrukturgesetz beitrage. Auch im Übrigen ist das Wahlprogramm vielfach eine Retrospektive. So wird darauf abgestellt, dass die Kassen nun Beiträge (GKV-untypisch „Prämien“ genannt [S. 75]) zurückerstatten könnten, wozu sie in Zukunft verpflichtet werden sollen.

Überaschend ist die Interpretation des seit dem Frühjahr geltenden Patientenrechtegesetzes. Während CDU/CSU dies als einen „großen Schritt“ (S. 76) feiern, habe ich bisher nur Einschätzungen vernommen, dass in ihm vor allem die Praxis der Rechtsprechung der letzten Jahre kodifiziert wurde.

Für den Zugang zum Medizinstudium sollen in Zukunft auch Leistungen außerhalb der Abiturnoten wie Engagement im Rettungsdienst (wobei unklar bleibt, ob das ehrenamtliche Strukturen oder hauptamtliche Vorbildungen meint) ebenso angerechnet werden wie die Verpflichtung, einige Jahre in unterversorgten Gebieten zu behandeln (S. 76).

Ansonsten bleibt es, wie bei Wahlprogrammen nicht unüblich, recht nebulös. Man möchte „Mit Blick auf eine gut erreichbare medizinische und pflegerische Versorgung vor allem in ländlichen Regionen, aber auch in strukturschwächeren Stadtteilen, […] zusammen mit den Krankenhäusern die Leistungsangebote noch besser aufeinander abstimmen.“ (S. 75)  was auch immer das heißen mag.  Ähnliches gilt für die Gewinnung von Nachwuchskräften in den ärztlichen und den Assistenzberufen.

Schließlich appeliert die Union bei der Vorstellung ihrer gesundheitspolitischen Ziele an die Eigenverantwortung zur gesunden Lebensweise und will „alle geeigneten Möglichkeiten aus[…]schöpfen, medizinische Leistungen möglichst wirksam und wirtschaftlich zu gestalten.“ (S. 77) Gespannt sein darf man auf die Umsetzung Absicht,

„Melde- und Managementsysteme einführen, die dabei helfen sollen, Fehler zu vermeiden und Qualität zu sichern.“ (S. 76).

Außer den Ärzen (und auch dort nicht die Zahnärzte) und Krankenhäuser kommen andere Akteure wie die Ärztekammern, K(Z)en und die Krankenkassenverbände nicht in den Ausführungen vor, auch die Kassen selbst werden kaum angesprochen. Die Arzneimittelhersteller haben dagegen einen eigenen Abschnitt erhalten.

Insgesamt bleiben CDU/CSU sich treu und halten an ihrer Ablehnung eines Konzeptes der Einheits- oder Bürgerversicherung (S. 75) fest. Sie bleiben einer der größten Befürworter der Trennung von PKV und GKV, wobei die Innovationsleistung der PKV hervorgehoben wird (S. 76).

Nicht berücksichtigt wurden in diesem kurzen Ausschnitt des insgesamt recht umfangreichen Abschnitts zum Gesundheitssystem die Aussagen zur Gesundheitswirtschaft und zu Alter & Pflege. Als .pdf ist das Wahlprogramm hier verfügbar.

2. Symposium RettungsdienstRecht unbestimmt verschoben

Entgegen meines Veranstaltungshinweises wird das 2. Symposium RettungsdienstRecht, das im Juli im Düsseldorf von engagierten Rechtsanwälten aus dem Gesundheitsrecht angeboten werden sollte, verschoben, wie die Veranstalter mitteilten. Ein Ersatztermin soll im November stattfinden, ist aber noch nicht benannt worden.

Veranstaltungshinweis: 2. Symposium RettungsdienstRecht

Zum mittlerweile zweiten Mal veranstaltet die „Arbeitsgemeinschaft RettungsdienstRecht e.V.“ ein für Juristen wie Mediziner gleichermaßen interessantes Symposium zum Rettungsdienst-Recht.

Am 13.7.2013 findet in den Räumen der Düsseldorfer Universität gibt es ein ganztägiges Programm zu Vergabeverfahren, Beilhilfefragen, Ausbildung von rettungsdienstlichem Personal, grenzüberschreitendem Kat-Schutz bis hin zu Fragen der Betäubungsmittel und zur Patientenverfügung.

Ein genaues Programm und Anmeldemöglichkeiten finden sich auf den Internetseiten des Vereins. Die Veranstaltung kann offenbar sowohl für Mediziner als auch Juristen als Fortbildung anerkannt werden.

Die Angst vor der Zweitmeinung

In meinem Umfeld hat jemand einen kleinen, aber recht schmerzhaften Unfall erlitten. Nach einigen Arztbesuchen, Warten auf Heilung und MRT sollte nun eine minimalivasive Operation durchgeführt werden.

Da einerseits die Lebensqualität sehr stark vom Erfolg dieses Eingriffs abhing, anderseits es für die Durchführung der Operation auf ein paar Tage nicht ankam (der avisierte Termin lag sowieso über eine Woche nach dem Unfall), riet ich, eine Zweitmeinung einzuholen. Finanziell wäre das für den privat versicherten Patienten kein Problem gewesen, die OP hätte mit ein wenig Glück trotzdem am geplanten Termin oder schlimmstenfalls einige Tage später stattfinden können.

Überrascht haben mich aber die Widerstände: Offenbar tritt bei der Einholung von Zweitmeinungen ein ganzes Bündel von Ängsten hervor:

Zunächst möchte man gar nicht so genau wissen, ob der Operateur vielleicht doch keine Ahnung hat, mit einem gestörten Vertrauen in Ärzte lebt es sich offenbar nicht gut.

Dann möchte man den Operateur auch nicht verärgern. So sehr ich dieses Argument ja verstehen kann, denke ich, dass man den Wunsch, eine Zweitmeinung einzuholen, so artikulieren kann, dass der Operateur sich nicht persönlich angegriffen fühlt. Schafft man dies, und zeigt sich der Arzt gleichwohl ablehnend, ist es sowieso besser, zu einem anderen zu gehen. Denn dann hat der Arzt, bei dem an ja sich bei positiver Zweitmeinung trotzdem für viel Geld operieren lassen will, entweder doch nicht so viel Ahnung, wie man ihm zugeschrieben hat. Oder ein Problem mit seinem Ego. Beides keine guten Voraussetzungen für eine erfolgreiche Behandlung. Aber auch in diesem Fall würde der Patient verunsichert werden.

Schließlich legen selbst eigentlich selbstbewusste Menschen gegenüber Ärzten eine erstaunliche Devotheit an den Tag. Man versucht gar nicht erst, – soweit dies möglich ist –  ihnen auf Augenhöhe zu begegnen, eigene Wünsche zu äußern oder sich geplante Behandlungsschritte ausführlich erklären zu lassen.

Offenbar weiß man lieber gar nicht erst, was alles schief gehen könnte, als im Rahmen des Möglichen genau dies zu verhindern.

„Pille danach“ in katholischen Krankenhäusern

In dem berichteten Fällen, in denen sich öffentlich finanzierte, von der katholischen Kirche getragene Krankenhäuser, geweigert hatten, vergewaltigten Frauen eine „Pille danach“ zu verschreiben und sie entsprechend zu behandeln, kam in den letzten Wochen einige mediale Bewegung.

Während sich manche über zaghafte Versuche des Kölner Kardinals wunderten, von seiner ultra-konservativen Haltung ein Stück weit abzurücken (die Süddeutsche Zeitung spricht vom „Revolutiönchen„), weisen andere darauf hin, dass die geschilderten Kölner Fälle wohl verbreitet seien. Unterdessen prüft die grüne NRW-Gesundheitsministerin, ob in der Abweisung nicht ein Verstoß gegen den Versorgungsauftrag der Krankenhäuser vorläge.

Dort, wo auf dem Gelände der katholischen Kliniken die „Pille danach“ verschrieben worden wäre, sei dies nicht durch katholische Ärzte, sondern durch die Praxen des Kassenärztlichen Notdienstes, die die öffentlich-rechtlichen Kassenärztlichen Vereinigungen außerhalb der Öffnungszeiten der Vetragsarztpraxen anbieten, geschehen

Man darf gespannt sein, wie wie sich das Konfliktfeld aus amtskirchlicher Moral, öffentlich finanzierten Krankenhäusern und Patientenrechten entwickelt.

Auch Bundesrat gibt grünes Licht für Patientenrechtsgesetz

Nachdem einige Medien das in Kraft treten des Patientenrechtegesetzes etwas voreilig verkündet hatten (dazu mein Beitrag hier), hat nach dem Bundestag Anfang Februar auch der Bundesrat dem Gesetz zugestimmt und es dem Bundespräsidenten zugeleitet, damit es ausgefertigt und im Bundesgesetzblatt verkündet werden kann.

Ob es die Patientenrechte wirklich stärkt, wie etwa hier verkündet, wird zu beobachten sein.

Patientenverfügung

Wieder ein Ratgeber, auch diesesmal nicht von mir, aber (hoffentlich) hilfreich: Die Verbraucherzentrale NRW hat eine umfangreiche Broschüre „Vorsorgevollmacht und Betreuungsverfügung“ herausgegeben, die auch als E-Book in verschiedenen Formaten verfügbar ist und natürlich auch über die obligaten Textbausteine verfügt.

Leseprobe und Bestellmöglichkeiten gibt es hier. Der Preis erscheint mit unter 8,00 € erschwinglich.