Anwalt des Vaters des Winnenden-Täters im Interview zum Schadensersatz aus Behandlungsvertrag

Die gerade auch für juristische Laien gut verständliche Onlinezeitung „Legal Tribune Online“ hatte vor einiger Zeit ein interessantes Interview mit dem Anwalt des Vaters des Täters von Winnenden geführt.

Zum Hintergrund: Sein Sohn tötete bei dem bundesweit beachteten Amoklauf fünfzehn Menschen und schließlich sich selbst. Der Vater wurde mittlerweile in einem (erneuten) Strafprozess zu einer Bewährungsstrafe von eineinhalb Jahren verurteilt, hat aber auch gegen dieses Urteil erneut Revision eingelegt.

Unabhängig von der strafrechtlichen Aufarbeitung besteht für den Vater die Gefahr, zivilrechtlich von den Opfern oder deren Angehörigen in Anspruch genommen zu werden, erste Klagen sind anhängig. Um dies zu verhindern möchte er sich von der Klinik, in der sein Sohn vor dem Amoklauf in Behandlung von etwaigen Ansprüchen freistellen lassen. Grundlage hierfür ist ein Behandlungsvertrag zwischen der Klinik und dem Sohn, in den auch die Eltern einbezogen werden.

Ein lesenswertes Interview zu einem arzthaftungsrechtlichen Fall in einer interessante Viereckskonstellation hier.

Zum Glück kein Gesundheitsrecht

In dem Fall der in einen Verkehrsunfall verwickelten Dame kommt das Gesundheitsrecht im engeren Sinne nun glücklicherweise wirklich nicht zur Anwendung. Die Dame ist auch von Zuzahlungen zu Krankenhausaufenthalten befreit. Zwar war nach einem Schreiben ihrer gesetzlichen Krankenversicherung zunächst vom Gegenteil auszugehen, ein Telefonat mit der Sachbearbeiterin konnte jedoch eine Klärung herbeiführen.

Auch im Übrigen scheint die juristische Bearbeitung des Falles langsam abgeschlossen. Die Versicherung des Unfallgegners hat nicht nur die materiellen Schäden äußerst zügig ersetzt, auch hinsichtlich eines angemessenen Schmerzensgeldes konnte letztlich – nach Hinzuziehung medizinischen Sachverstandes und klärenden Telefonaten – eine Einigung erreicht werden. Alles ohne Rechtsanwalt.

Schmerzen hat die Dame nach eigenem Bekunden allerdings immer noch.

Verbraucherratgeber und Fernabsatzrecht

Vor einigen Tagen „klopfte“ es beim Telefonieren anhaltend an. Nach Beendigung des Telefonats rief ich die – nach der Vorwahl zu urteilen – bayerische Nummer an und erreichte eine mir nicht bekannte, wunderbaren Akzent sprechende, ältere Dame, die den Hörer sofort an ihren, mir ebenso unbekannten, Mann übergab.

Dieser begrüßte mich mit einem Wortschwall, dass er den „Ratgeber nicht bräuchte“, den ich ihm „aufgeschwatzt hätte“, er ihn nicht wollte und es hinterhältig sei, diesen zu verkaufen während er schwerhörig, seine Frau aber nicht anwesend ist.

Nur mühsam konnte ich seinen Redefluss stoppen und ihn überzeugen, dass ich weder Fernabsatzgeschäfte tätige, noch älteren Menschen irgendwelche Verbraucherratgeber aufschwatze. Er blieb jedoch dabei, eine Düsseldorfer Telefonnummer und eine Hildener Adresse erhalten zu haben.

Nach längerem Gespräch konnte ich das Missverständnis zwar nicht aufklären, fragte ihn aber – der den tollen Ratgeber offenbar nicht zu schätzen wusste – ob er denn von dem, nicht mit mir, geschlossenen Vertrag sich wieder lösen wollte. Nach zustimmender Antwort verwies ich ihn spontan auf die § 312d und § 355 BGB, d.h. auf die Möglichkeit, durch fristgemäßes Zurückschicken der Ware die ganze Sache zu erledigen. Diesen Hinweis nahm er erfreut an.

Hoffentlich wird meine Nummer nicht flächendeckend in Ratgebern verbreitet…

Auch Bundesrat gibt grünes Licht für Patientenrechtsgesetz

Nachdem einige Medien das in Kraft treten des Patientenrechtegesetzes etwas voreilig verkündet hatten (dazu mein Beitrag hier), hat nach dem Bundestag Anfang Februar auch der Bundesrat dem Gesetz zugestimmt und es dem Bundespräsidenten zugeleitet, damit es ausgefertigt und im Bundesgesetzblatt verkündet werden kann.

Ob es die Patientenrechte wirklich stärkt, wie etwa hier verkündet, wird zu beobachten sein.

Verkehrsunfall mit Folgen

Ende Dezember 2012 wurde eine ältere Dame auf ihrem Fahrrad (über 80) von einem nicht wesentlich jüngerem PKW-Fahrer erfasst, als dieser – offenbar unaufmerksam und mit unangepasster Geschwindigkeit – in einen kleinen Weg einbog. Die Dame stürzte.

Der PKW-Fahrer und ein zufällig vorbeifahrender Polizist leisteten erste Hilfe, die Dame wurde mittels RTW in das nächste Krankenhaus gebracht; um das Fahrrad kümmerten sich die herbeigerufenen Kinder. Gebrochen war zum Glück nichts, einige Verletzungen erlitt die Dame trotzdem, konnte aber noch vor den Weihnachtsfeiertagen das Krankenhaus wieder verlassen.

Dem Unfallgegner war die Situation äußerst unangenehm, so dass er  – menschlich sehr anständig und über das, was man gemeinhin erwartet, hinausgehend – einige Tage später bei der älteren Dame vorbei schaute und sich noch einmal persönlich entschuldigte, seine Schuld eingestand und eine rasche Regelung des entstandenen Schadens versprach.

Die Behandlungskosten für das Krankenhaus und die Fahrt im RTW zahlte die Gesetzliche Krankenversicherung der Dame. Einen Strafantrag wollte sie nicht stellen, so dass nur die zivilrechtliche Abwicklung hinsichtlich des Fahrrades, Schäden an der Bekleidung und eines möglichen Schmerzensgeldes blieb.

Dies entwickelte sich jedoch zu einem – an der Schadenshöhe gemessen – reichlich aufwendigem Verfahren. Die Dame wollte sich nicht allein darum kümmern, so dass ein Vertreter beauftragt wurde. Dieser holte ärztliche Befunde von Krankenhaus und Hausarzt ein, nahm den Kontakt zu Zeugen, Versicherung des Unfallgegners und der Polizei auf. Letztere gab die Akten an die Staatsanwaltschaft weiter, so dass auch hier für den Unfallbericht nachgefragt werden musste. Zwischenzeitlich immer wieder Rücksprachen mit dem Unfallopfer und den Verwandten hinsichtlich in Auftrag zu gebende Reparaturen, dem Sammeln von Belegen usw. Alles in allem eine Vielzahl von Faxen, Telefonaten und Schreiben für alle Beteiligten.

Vorsichtig addiert drei bis vier Stunden Arbeit für den Vertreter. Nicht, weil der Fall juristisch besonders anspruchsvoll wäre, sondern weil er viel Kommunikation erfordert. Etwa bis sich herausgestellt hat, wer nun tatsächlich Eigentümer der teuren Strümpfe war. Oder zu erklären,w as ein Strafantrag ist und in welchem Verhältnis er zur zivilrechtlichen Haftung steht. Wenn der Vertreter ein Rechtsanwalt wäre, müsste er selbst bei einer kleinen Kanzlei dafür mehrere Hundert Euro zzgl. Mwst verlangen. Wie viel wären Sie bereit auszugeben? Und wie viel wird die Dame erhalten?

Auf der anderen Seite: Ein Glück, dass aufgrund des Sachleistungsprinzips der GKV das Gesundheitsrecht (bisher) keine Rolle gespielt hat.

Spezialisierung eines Rechtsanwaltes

Ich werde, wie schon beschrieben, recht regelmäßig gefragt, was einen guten Anwalt ausmacht und habe hier im Blog bereits versucht, eine Antwort zu finden.

Vor ein paar Tagen bin ich auf das Angebot eines Einzelanwaltes gestoßen, der für seine Dienste mit den Worten wirbt, er sei

„spezialisiert auf Fragen des Verwaltungs-, Miet- und Strafrecht[s]. [Der Anwalt] hilft und berät bei der Unternehmensgründung und -führung sowie bei Vertragsgestaltung und Forderungsmanagement.“

Ich kenne den Rechtsanwalt nicht persönlich, aber ich bin mir sicher, dass ich ihn nicht empfehlen würde. Wie soll ein Einzelanwalt – der hier Genannte sitzt übrigens in einer Kleinstadt – auch nur annähernd so viele Mandate bearbeiten, dass er über genug Berufserfahrung in all diesen Rechtsgebieten verfügt? Zumal Strafrecht (vom Verkehrsunfallrecht über Wirtschaftsstrafrecht bis hin zu Umweltdelikten und den üblichen Blut-und-Sperma-Delikten?), Verwaltungsrecht (das kann vom Polizei- über das Hochschulrecht bis zum Baurecht auch alles sein) und Mietrecht ja bereits die Spezialgebiete sein sollen…

Auch glaube ich nicht, dass bei einem derart breit gefächertem Angebot tatsächlich eine teure Bibliothek und nicht minder kostenintensive Datenbankzugänge zur Verfügung stehen, um über aktuelle wie tiefgreifende Quellen verfügen zu können.

Oder der Anwalt ist einfach nur ein Ausnahmetalent.

Patientenrechtegesetz – nun mit Sicherheit ein Vetrag?

Während die Tagespresse berichtet, dass das neue Patientenrechtegesetz seit Jahresanfang in Kraft getreten sei, weist der GKV-Spitzenverband hin, dass der Bundesrat erst im Februar abschließend beraten müsse. Ob sich durch das Gesetz tatsächlich etwas ändert und welche Ansichten es zum dann in Kraft getretenen Entwurf gibt, werde ich in den nächsten Wochen etwas detaillierter vorstellen. Man wird sehen, ob es Rechtsanwälten und Ärzten tatsächlich mehr Arbeit bringt und die Rechte der Patienten verbessert.

Das Gesetz wird nicht als „Patientenrechtegesetz“ irgendwo aushängen und bestellbar sein, vielmehr ist damit die Änderung einiger Gesetzte wie des Bürgerlichen Gesetzbuches  und des 5. Buches des Sozialgesetzbuches, welches das Recht der Gesetzlichen Krankenversicherung kodifiziert, verbunden.

Aus einer Norm des Entwurfes (Bundestagsdrucksache BT-Drs. 17/10488) möchte ich aber bereits an dieser Stelle zitieren. Der Abschnitt des BGB über Dienstverträge wird geteilt und ein neuer Untertitel über den „Behandlungsvertrag“ aufgenommen. Der Behandlungsvertrag war bisher nicht ausdrücklich geregelt, vielmehr wurde ganz überwiegend angenommen, dass es sich um einen Dienstvertrag handele, d.h. der Arzt nicht den Erfolg, sondern das Tätigwerden schulde, ähnlich eines Arbeitnehmers. Für den Bereich der gesetzlich Versicherten, also ca. 90 % der Bevölkerung, gab und gibt es darüber hinaus einen Streit zwischen den Gerichten. Während die Sozialgerichtsbarkeit, die sich hier vor allem mit dem Recht der Gesetzlichen Krankenversicherung beschäftigt, annimmt, dass es keinen Behandlungsvertrag zwischen Arzt und gesetzlich Versichertem gäbe, nahm die Zivilgerichtsbarkeit, die bei Haftungsfrage angerufen wird, an, dass dieser geschlossen werde. Ein Ausgangspunkt dieses für Juristen ungewöhnlichen Streits, weil er nicht zwischen Wissenschaftlern und Praktikern auf der einen und Gerichten auf der anderen Seite, sondern zwischen den juristischen Teilgebieten stattfindet, ist § 76 Abs. 4 SGB V , wonach

„Die Übernahme der Behandlung verpflichtet […] dem Versicherten gegenüber zur Sorgfalt nach den Vorschriften des bürgerlichen Vertragsrechts.“

Die Frage stellte sich, ob nun diese Anwendbarkeitserklärung des BGB-Haftungsrechts bedeutet, dass das BGB – und damit auch das Dienstvertragsrecht – eigentlich nicht anwendbar ist und deshalb seine Anwendbarkeit extra angeordnet werden muss (so die Sozialgerichte) oder ob das BGB auch zwischen dem gesetzlich Versichertem und seinem Arzt gelte, § 76 SGB V also nur deklaratorisch sei (so die Zivilgerichte). Der Streit ist nicht nur theoretischer Natur, denn während in der vertraglichen Haftung das Verschulden des Vertragspartners, also auch das Arztes, gesetzlich vermutet wird – § 280 Abs. 1 S. 2 BGB – , ist dies bei der sogenannten deliktischen Haftung nicht der Fall.

Aus dem neuen § 630a Abs. 1 BGB soll sich nun ergeben, dass definitiv zwischen dem GKV-Patienten und seinem Arzt ein Vertrag geschlossen wird, weil die Norm eine Regelung enthält, wonach es unschädlich sei, wenn der Vertragspartner nicht selbst zur Zahlung des Honorars verpflichtet sei – und dies meint offensichtlich gesetzlich Versicherte, die im Rahmen des Sachleistungsprinzips und nicht der Kostenerstattung behandelt werden.

Tagung zum Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes

In der letzten Woche war ich recht spontan auf einer Tagung, die sich mit dem AMNOG – Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes – beschäftigte. Abgesehen von den Fahrtkosten war die Tagung der Deutschen Gesellschaft für Kassenarztrecht nicht nur kostenfrei, sondern auch wirklich inhaltlich lohnenswert. Ich konnte nicht nur sehr hilfreiche und gute Gespräche führen, sondern auch von den Vorträgen (hier die Thesenpapiere) der Referenten aus Gesundheitsverwaltung, Forschung, pharmazeutischer Industrie, Krankenkassen und Rechtsanwälte einige interessante Aspekte für meine Doktorarbeit mitnehmen. Diese beschäftigt sich zwar eigentlich nicht mit Arzneimitteln, aber einige Anregungen, die auch auf mein Thema passen könnten, waren dabei. Wenn cih etwas Zeit finde, werde ich auf die Referate vielleicht noch gesondert eingehen.

Die Tagung fand übrigens in den wirklich schönen Räumlichkeiten der Kaiserin-Friedrich-Stiftung statt.

Pflegekinder

Die Tageszeitung berichtet in einem eindrücklichen Artikel aus der Perspektive einer Mutter über eine Situation, über die man sich wohl recht selten Gedanken macht: Pflegekinder. Nein, diesesmal nicht Kinder fremder Eltern, die von aufopferungsvollen Eltern zu sich genommen wurden, sondern über die Pflege eigener Kinder, die nicht weniger aufopferungsvolle Eltern über Jahre fordern.

Die bürokratischen Hindernisse scheinen, glaubt man dem Artikel, ähnlich aufwendig zu sein wie die Pflege der Kinder selbst, zumal es offenbar nur wenige professionelle Strukturen für diese zahlenmäßig recht kleine Gruppe Hilfebedürftiger gibt.

In dem von einer betroffenen Mutter gegründeten Gesprächskreis werden – leider – auch Adressen guter Anwälte ausgetauscht. Naiver Gedanke: Schade, dass es auch hier nicht ohne geht.

Zugleich berichtet der Spiegel,  gesetzliche Krankenkassen diskutierten „Modelle, wonach deutsche Pflegefälle im Ausland versorgt würden“, weil immer mehr pflegebedürftige Alte nicht mehr in der Lage wären, die Pflegekosten aus ihren eigenen Mitteln zu bestreiten. Bei – laut Spiegel – durchschnittlichen Pflegekosten in der Pflegestufe 3 von 2900 € kaum verwunderlich. Solche Rentenansprüche, die zur Finanzierung (des verbleibenden Differenzbetrages) der Pflegekosten herangezogen werden können, dürfte kaum ein Arbeitnehmer erwerben.