Individuelle Gesundheitsleistungen sinnvoll?

Seit einiger Zeit gibt es IGel, die Individuellen Gesundheitsleistungen, deren Nutzen zumindest für die Vertragsärzte feststeht, die von Kassenpatienten auf einmal nach der deutlich lukrativeren privatärztlichen Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) abrechnen dürften. Ob sich für das Gesundheitssystem und für Patienten Vorteile ergeben ist weiter Gegenstand einer kontroverse, über die momentan etwa Spiegel Online berichtet.

Der Spiegel berichtet weiter, dass „bei jedem vierten Fall vorab eine Kosteninformation gefehlt [habe], und nur jeder Vierte erinnerte sich daran, über Risiken aufgeklärt worden zu sein. Ausreichende Bedenkzeit gab es bei 51 Prozent der Fälle. Dabei sind 82 Prozent dieser Behandlungen nicht auf Initiative der Patienten zustande gekommen – in fast jedem zweiten Fall sei das Praxispersonal direkt am Verkauf beteiligt gewesen.“

Verkauf ist wohl auch das richtige Wort. Bei einer wahllos via Google herausgezogenen Website wird, noch harmloser als auf anderen Seiten, von der „Kundenansprache“ und der Aufgabe, den „Igel-Anteil messbar zu steigern, jeder [in der Praxis] kennt seine Aufgabe zum Erreichen dieses Zieles“

Schon 1976, als man mit „Igel“ noch niedliche Tiere assoziierte, wurde – etwas resigniert- festgestellt, dass schon Fälle aufgetreten seien, „in denen eine Arztpraxis eher den Anschein eines Gewerbebetriebes erweckte als den einer Stätte individueller Hilfe durch ärztliche Behandlung.“ (Schimmelpfeng, Nichtärztliche Heilberufe und kassenärztliche Versorgung, NJW 1976, 2293, 2293)

Vielleicht sollte man es mit Fastabend/Schneider halten, die meinten, „wenn die [in der IGEL-Liste] aufgeführten Leistungen medizinisch sinnvoll sind, gehören sie in den Katalog [der Gesetzlichen Krankenversicherung]. Sind sie es aber nicht, gibt es keinen Grund, warum der Arzt sie seinen Patienten anbieten sollte“ (dies., Das Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung, 2004, 46)

Patientenquittung – Fortsetzung

Vor einigen Tagen hatte ich hier zur Patientenquittung gebloggt: Ein Nachteil des Sachleistungsprinzips ist es, dass nur schwer nachvollzogen werden kann, ob eine gegenüber der Krankenversicherung des Patienten abgerechnete Leistung vom Arzt wirklich verbracht wurde. Noch schwerer nachvollziehbar ist allerdings, ob sie auch medizinisch notwendig war.Zwar werden Abrechnungs-und Wirtschaftlichkeitsprüfungen vorgenommen, dienen jedoch naturgemäß Grenzen gesetzt sind, da sich auf das Aktenmaterial, d.h. die Abrechnungen des Arztes, beschränken müssen. Letztlich ist es nur dem Arzt und – aber auch dies nicht in jedem Fall – seinem Patienten bekannt, welche Leistung erbracht wurde. Die Patientenquittung ist sicherlich eine Möglichkeit, hier etwas Licht ins Dunkel zu bringen.

Ich muss aber zugeben, dass mir noch nicht ganz einsichtig ist, welchen Vorteil der Patient davon haben sollte, sieht man einmal von völlig altruistischen Motiven wie der Sparsamkeit in der Gesetzlichen Krankenversicherung ab. Der Patient muss nicht nur die Patientenquittung extra bezahlen (wenngleich es sich um kleine Beträge handelt), sondern ich habe auch Zweifel, ob gerade der – etwas kreative – Arzt auf diesen Wunsch des Patienten positiv reagiert. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass das Arzt-Patienten-Verhältnisses durch das Begehren einer Patientenquittung, die, zumindest aus Sicht des Arztes, auch ein gewisses Misstrauen ausdrückt, nicht gerade gefördert wird.

Aber selbst, wenn man eine Patientenquittung, oder – als privatversicherter Patient – eine richtige Rechnung erhalten hat, wird man daraus nicht unbedingt schlauer. Sind dort etwa umfangreiche Laborleistungen enthalten, ist weder nachvollziehbar, ob der Arzt diese tatsächlich beauftragt, noch ob das Labor sie auch erbracht hat. Bei anderen Leistungen kann ich mir zwar mithilfe von Google und medizinischen Wörterbüchern „zusammenreimen“, welche Leistungen abgerechnet wurde und ob sie tatsächlich erbracht wurden. Ob sie aber medizinisch notwendig waren, ist für den Patienten nicht einzuschätzen.

Techniker Krankenkasse schafft Praxisgebühr ab?

Spiegel Online berichtet, die Techniker Krankenkasse wolle die Praxisgebühr gem. § 28 Abs. 4 SGB V „abschaffen“, in dem sie u.a. einen Betrag, der in der Höhe der Praxisgebühr entspricht erstatten will, wenn diese tatsächlich angefallen ist und „vorausgesetzt, [die Versicherten] haben an mindestens vier Vorsorgemaßnahmen im Jahr teilgenommen.“

Einmal unabhängig davon, was man von der Praxisgebühr, ihren Zielen – der Reduzierung der Arztbesuche, der Stärkung der Hausärzte als Losten, in dem diese häufiger Überweisungen zu Fachärzten ausstellen und einer verdeckten sowie einkommensunabhängigen Beitragserhöhung – und der Erreichung dieser Ziele hält: Es ist schon eigenartig, dass eine öffentlich-rechtliche Krankenkasse, die an § 28 Abs. 4 SGB V gebunden ist und der Rechtsaufsicht unterliegt, eine vom parlamentarischen Gesetzgeber vorgesehene Norm konterkariert, in dem es Beitragsrückzahlungen derart an sie knüpft. Auch die Techniker Krankenkasse muss den Willen des Gesetzgebers beachten, der die Praxisgebühr zumindest bisher für sinnvoll hält.

Mich erinnert das ein wenig an die Aussetzung der Wehrpflicht. Auch hier sei einmal dahingestellt, ob man die Wehrpflicht für notwendig oder abwegig erachtet. Der Bundestag hatte die Einführung der Wehrpflicht per formell-materiellem Gesetz beschlossen. Und so lange der Bundestag ein Gesetz nicht aufhebt ist es für die Exekutive, d.h. eben die ausführende Gewalt auch verbindlich und kann nicht einfach ausgesetzt werden. Ansonsten könnte man das Grundgesetz auch umformulieren, „Der Bundestag beschließt die Gesetze; die Bundesregierung führt sie aus, wenn sie es für opportun hält“. Damals eine Entmachtung des Parlaments, die auch noch aus dem Parlament heraus gefeiert wurde.

Patientenquittung

Wie die AOK berichtet würden sich die Patientenquittungen großer Beliebtheit erfreuen.

Eine Folge des Sachleistungsprinzips in der Gesetzlichen Krankenversicherung, d.h. der Tatsache, dass der Patient nicht seinen Arzt selbst bezahlt (ob er mit ihm einen Vertrag schließt ist weiterhin Gegenstand zahlreicher Debatten zwischen zivil- und sozialrechtlichen Juristen) ist, dass der Patient mit der Abrechnung seines Arztes nicht in Berührung kommt. Er weiß weder, was abgerechnet wurde, noch, ob die Abrechnung inhaltlich richtig ist, so das Abrechnungsbetrug verhältnismäßig einfach möglich ist.

In der privaten Krankenversicherung und in Ausnahmen auch in der gesetzlichen (etwa im „Wahltarif Kostenerstattung“) kommt hingegen ein Behandlungsvertrag zwischen dem Patienten und dem Arzt zustande, dieser begleicht die Rechnung des Arztes und reicht sie seiner Krankenkasse ein, die dann – hoffentlich problemlos und vollständig – diesen begleicht, was einige Wochen dauern kann. Auch aufgrund der genannten Transparenzproblematik – oftmals aber mit anderen Interessen – propagieren daher verschiedene Seiten das Kostenerstattungsmodell.

Aber auch die Versicherten im Sachleistungsprinzip, also fast 90 % der deutschen Bevölkerung, können aufgrund der Regelung des § 305 Abs. 2 SGB V sich eine sogenannte „Patientenquittung“ ausstellen lassen: „Die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte, Einrichtungen und medizinischen Versorgungszentren [vulgo: Kassenärzte] haben die Versicherten auf Verlangen schriftlich in verständlicher Form, direkt im Anschluss an die Behandlung oder mindestens quartalsweise spätestens vier Wochen nach Ablauf des Quartals, in dem die Leistungen in Anspruch genommen worden sind, über die zu Lasten der Krankenkassen erbrachten Leistungen und deren vorläufige Kosten (Patientenquittung) zu unterrichten. Satz 1 gilt auch für die vertragszahnärztliche Versorgung.“

Auch zu den Kosten gibt der Gesetzestext bereits Auskunft, nach § 305 Abs. 2 S. 3 erstattet der Versicherte „für eine quartalsweise schriftliche Unterrichtung nach Satz 1 eine Aufwandspauschale in Höhe von 1 Euro zuzüglich Versandkosten.“