Entschuldigungen eines Klinikums – und was (vielleicht) dahinter steckt

Die Potsdamer Neuesten Nachrichten berichten von dem Fall einer fünfjährigen Epilespsie-Patientin, die in einem kommunalen Potsdamer Krankenhaus wohl das zehnfache der für ihre Altersgruppe angemessenen Arzneimitteldosis erhalten hat. Der Artikel beschäftigt sich nicht nur mit der Perspektive der Angehörigen und der von ihnen subjektiv empfundenen empfundenen personell mangelhaften Situation des Krankenhauses, sondern gibt auch eine Stellungnahme des Krankenhauses wieder:

„‚Uns ist nicht begreiflich, wie es dazu kommen konnte‘, ergänzte der Pflegedirektor des Klinikums, Sebastian Dienst. Die Schwester habe offenbar einen ‚Blackout‘ gehabt. Schon allein die erhebliche Menge der Tablettengabe hätte auffallen müssen, so Dienst. Die Schwester sei nochmals geschult worden. Dass die Kinderklinik unterbesetzt gewesen sei und womöglich zu hoher Arbeitsanfall die gefährliche Fehlmedikation ausgelöst haben könnte, schloss Dienst kategorisch aus.“

Mit der juristischen Brille liest man diese Zeilen vielleicht ein wenig anders. Dann erblickt man nicht die Aufklärungsversuche des Klinikums sondern eine Menge Angaben, um der zivilrechtlichen Haftung für den sich anschließenenden Krankenhausaufenthalt, eventuelle Spätfolgen usw. zu entgehen. Unabhängig von der Anwendbarkeit des § 831 BGB in diesem Fall eines kommunalen Klinikums entspricht die Argumentation des Pflegedirektors in weiten Teilen dem, was man vor Gericht auch vortragen muss, um eine Haftung des Arbeitgebers für einen Fehler des Mitarbeiters von sich zu weisen:

– der Mitarbeiter ist gut geschult und wird erneut geschult

– es handelt sich nicht um Organisationsversagen des Krankenhauses, sondern um den Fehler eines einzelnen Mitarbeiters (siehe der Hinweis auf die Mitarbeiterzahl an dem Unfalltag)

– der Mitarbeiter macht solche Fehler eigentlich nie, sondern habe nur ausnahmsweise und völlig unerklärlich ein „Blackout“ gehabt.

Anwalt des Vaters des Winnenden-Täters im Interview zum Schadensersatz aus Behandlungsvertrag

Die gerade auch für juristische Laien gut verständliche Onlinezeitung „Legal Tribune Online“ hatte vor einiger Zeit ein interessantes Interview mit dem Anwalt des Vaters des Täters von Winnenden geführt.

Zum Hintergrund: Sein Sohn tötete bei dem bundesweit beachteten Amoklauf fünfzehn Menschen und schließlich sich selbst. Der Vater wurde mittlerweile in einem (erneuten) Strafprozess zu einer Bewährungsstrafe von eineinhalb Jahren verurteilt, hat aber auch gegen dieses Urteil erneut Revision eingelegt.

Unabhängig von der strafrechtlichen Aufarbeitung besteht für den Vater die Gefahr, zivilrechtlich von den Opfern oder deren Angehörigen in Anspruch genommen zu werden, erste Klagen sind anhängig. Um dies zu verhindern möchte er sich von der Klinik, in der sein Sohn vor dem Amoklauf in Behandlung von etwaigen Ansprüchen freistellen lassen. Grundlage hierfür ist ein Behandlungsvertrag zwischen der Klinik und dem Sohn, in den auch die Eltern einbezogen werden.

Ein lesenswertes Interview zu einem arzthaftungsrechtlichen Fall in einer interessante Viereckskonstellation hier.

„Pille danach“ in katholischen Krankenhäusern

In dem berichteten Fällen, in denen sich öffentlich finanzierte, von der katholischen Kirche getragene Krankenhäuser, geweigert hatten, vergewaltigten Frauen eine „Pille danach“ zu verschreiben und sie entsprechend zu behandeln, kam in den letzten Wochen einige mediale Bewegung.

Während sich manche über zaghafte Versuche des Kölner Kardinals wunderten, von seiner ultra-konservativen Haltung ein Stück weit abzurücken (die Süddeutsche Zeitung spricht vom „Revolutiönchen„), weisen andere darauf hin, dass die geschilderten Kölner Fälle wohl verbreitet seien. Unterdessen prüft die grüne NRW-Gesundheitsministerin, ob in der Abweisung nicht ein Verstoß gegen den Versorgungsauftrag der Krankenhäuser vorläge.

Dort, wo auf dem Gelände der katholischen Kliniken die „Pille danach“ verschrieben worden wäre, sei dies nicht durch katholische Ärzte, sondern durch die Praxen des Kassenärztlichen Notdienstes, die die öffentlich-rechtlichen Kassenärztlichen Vereinigungen außerhalb der Öffnungszeiten der Vetragsarztpraxen anbieten, geschehen

Man darf gespannt sein, wie wie sich das Konfliktfeld aus amtskirchlicher Moral, öffentlich finanzierten Krankenhäusern und Patientenrechten entwickelt.

„Katholische Krankenhäuser dürfen Vergewaltigungsopfer nicht über die Pille danach aufklären“

Heute schlicht nur der Hinweis auf einen Artikel des Kölner Stadt-Anzeigers, der wie folgt eingeleitetet wird:

„Katholische Krankenhäuser dürfen Vergewaltigungsopfer nicht über die Pille danach aufklären. Notärztin Irmgard Maiworm schildert den Fall einer Kölnerin, deren Untersuchung vom Vinzenz-Hospital und vom Heilig-Geist-Krankenhaus abgelehnt wurde.“

Vielleicht ist also in solchen Fällen besser nicht in katholische Krankenhäuser gehen. Ich bin gespannt, wie sich dieser Fall entwickelt.

Wie stellt sich dies eigentlich aus grundrechtlicher und arzthaftungsrechtlicher Perspektive dar? Und hinsichtlich des Behandlungsanspruches eines GKV-Patienten?