Mittelalter?

In einem Fachaufsatz geht es um die Rolle von medizinischen Sachverständigen in strafrechtlichen Arzthaftungsprozessessen.

Bekanntlich waren etwa im Mittelalter Richter und Staatsanwalt in einer Person vereint. Später wurden beide Funktionen getrennt, die Staatsanwaltschaft blieb aber von ihrer Konzeption her die „Anklagebehörde“, die den Fall vor den Richter bringen sollte. Kraft Auftrages parteiisch.

Die deutsche Strafprozessordnung geht einen anderen Weg. Zumindest der gesetzlichen Konzeption soll die Staatsanwaltschaft die „objektivste Behörde der Welt“ sein. Verankert ist dies in § 160 Absatz 2 StPO:

„Die Staatsanwaltschaft hat nicht nur die zur Belastung, sondern auch die zur Entlastung dienenden Umstände zu ermitteln […].“

In Verfahren, in denen den Juristen jedoch das notwendige Wissen fehlt, besteht die Gefahr, von den Sachverständigen zu sehr geführt zu werden. Es ist nicht einfach, schlechte Sachverständige zu erkennenund ihre Gutachten zu hinterfragen.

In dem besagten Aufsatz heißt es dann – sicher etwas überspitzt:

„Ohne [medizinische] Leitlinien kann sich die Staatsanwaltschaft weiterhin ausschließlich nur auf Gutachter verlassen, die
dann faktisch in Personalunion die Funktion von Staatsanwalt, Verteidiger und Richter übernehmen.“

(Lilie/Orben: Zur Verfahrenswirklichkeit des Arztstrafrechts, ZRP 2002, 154, 159)

GKV-Beiträge sinken – steigen – steigen…

Meine eigene Gesetzliche Krankenkasse teilte hocherfreut mit, dass die Beitragssätze für 2015 leicht sinken würden. Das ist natürlich ersteinmal gut, denn andere Kassen erheben für 2015 einen Zusatzbeitrag.

Befriedigen kann dies freilich nicht. Denn die finanziellen Reserven der Gesetzlichen Krankenversicherung sind nicht unbegrenzt. Für 2016 wird damit gerechnet, dass die Beiträge deutlich steigen. Aber nicht alle Beiträge. Denn seitdem die Regierung unter CDU/CSU und der mittlerweile versenkten FDP den Zusatzbeitrag, den allein die Arbeitnehmer zahlen, eingeführt hat, tragen diese die Beitragssatzsteigerungen allein.

Für 2017 werden Zusatzbeiträge von bis zu zwei Prozentpunkten (nicht: zwei Prozent) vorhergesagt.

Daran ändert auch die große Koalition nichts.

Schon wieder Allgemeine Geschäftsbedingungen

Anders als etwa im Strafrecht gibt es in der Zivilgerichtsbarkeit keinen Amtsermittlungsgrundsatz. Das heißt, die streitenden Parteien müssen schon selbst alle relevanten Tatsachen in das Verfahren einführen.

Im konkreten Fall möchte der Kläger von seinem Gegner eine vierstellige Summe. Streitig ist unter anderem zwischen den beiden, welchen Inhalt denn der vor einigen Jahren geschlossene Vertrag hat. Der Kläger meint, seine Allgemeinen Geschäftsbedingungen seien zur Grundlage des Vertrages gemacht worden. Das ist häufig der Fall.

Deutlich weniger häufig ist jedoch, dass der Kläger nicht etwa die Allgemeinen Geschäftsbedingungen abgedruckt und in die Akte legt, sondern einfach nur einen Internetlink auf seiner Internetseite anbietet. Mögen sich der Beklagte und das Gericht doch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen selbst suchen.

Im konkreten Fall funktionierte der Link nicht einmal und wenn man sich dann mühsam auf der Internetseite selbst den richtigen Link zu den Allgemeinen Geschäftsbedingungen gesucht hat, sind dort selbstverständlich nicht die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der letzten Jahre, sondern nur die aktuellen verzeichnet. Die aktuellen Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind aber nun mit Sicherheit nicht Vertragsbestandteil geworden.

Radiologen

Der Vorsitzende Richter in der mündlichen Verhandlung zu der Frage, ob der Kläger von dem Beklagten überascht worden sein könne beim Abschluss eines Vertrages:

Der Kläger habe eine robuste Natur und sei

„Radiologe – gelte unter Medizinern also als Pferdearzt.“

Nun ja.

Rechtswidrige Allgemeine Geschäftsbedingungen

Ausnahmsweise einmal etwas nichts zum Gesundheitsrecht:

Bei der Durchsicht von Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines großen Onlinversandhändlers für Notebooks fiel mir eine Klausel auf, in der sinngemäß heißt:

„Sollten wir auch nach Abschluss des Kaufvertrages nicht liefern können, können wir vom Vertrag zurücktreten. Schadensersatzansprüche sind ausgeschlossen.“

Ich halte eine solche Klausel für völlig rechtswidrig. Aus Sicht des Käufers hieße das: „Wenn ich kein Geld habe, muss ich die Ware auch nicht abnehmen und nicht bezahlen.“ Angesichts dessen, dass Verträge nun einmal einzuhalten sind, wäre ein solches Verhalten klar rechtswidrig und der Käufer müsste natürlich trotzdem bezahlen. Gleiches gilt selbstverständlich auch für den Verkäufer. Wer sich zu einem Kaufvertrag verpflichtet, kann sich kein Rücktrittsrecht vorbehalten. Für den Fall, dass man tatsächlich einmal nicht liefern kann, sieht das BGB natürlich vor, dass man bei Unmöglichkeit der Lieferung auch nicht liefern muss. Unmöglich wäre die Lieferung aber bei einem Versandhändler nur, wenn er sich auch nicht bei Anderen gegebenenfalls mit erhöhten Kosten für ihn, mit der notwendigen Ware eindecken kann. Vor allem aber wäre er dem Käufer normalerweise zum Ersatz der Schäden verpflichtet, die der Käufer erleidet, weil der Verkäufer nicht rechtzeitig liefert, obwohl er sich dazu verpflichtet hat.

Dies auszuschließen, ist meines Erachtens nicht nur ziemlich frech, sondern auch rechtswidrig und führt dazu, dass ich bei diesem Versandhändler definitiv nie wieder etwas kaufen werde.

Wenig seriöse Werbung

Nachdem ich mich hier mehrfach sehr positiv über meine Erfahrungen in meiner neuen Gesetzlichen Krankenkasse geäußert habe, bin ich doch negativ überrascht, dass diese mir in Zusammenarbeit mit einer privaten Krankenversicherung eine Zahnzusatzversicherung und Manches mehr aufschwatzen will.

Ohne, dass das „Kleingedruckte“ mitgesendet worden wäre, erscheint das Gesamtpaket wenig vorteilhaft.
In klassischer Werbemanier wird auf die mangelhafte Leistung der Gesetzlichen Krankenversicherung für Zahnersatz und Sehhilfen abgestellt (die gar nicht bestritten werden kann), und dann ein Vertrag angeboten, der eine jährliche Erstattung von bis zu 300 € für Zahnersatz vorsieht. Abgesehen davon, dass eine vernünftige Zahnzusatzversicherung schon ein wenig mehr enthalten sollte, kann man für maximal 300 € im Jahr die Versicherungslücken im Bereich des Zahnersatzes natürlich nicht einmal annähernd schließen.

Da hilft es auch nur wenig, dass die angebotene Versicherung für einen Mitfünfziger nur etwa 120 € im Jahr kostet.

Dass zugleich bis zu 120 € innerhalb von zwei Jahren für Brillen oder Kontaktlinsen erstattet werden, heißt letztlich nichts anderes, als dass Menschen, die keine Sehhilfen brauchen, sich völlig sinnfrei gegen Risiken versichern, die sie gar nicht betreffen.

Meiner Meinung nach irreführend ist schließlich die Werbung, wonach es ein „starker Vorteil“ wäre, dass man mit der Zusatzversicherung „generell 100 % der tariflichen Leistungen erstattet bis zum jeweiligen Höchstbetrag“ bekommt. Ich sehe nicht, was für einen Vorteil darin liegen soll, dass eine Versicherung, im Rahmen des vereinbarten Versicherungsschutzes auch tatsächlich leistet. Kann es sein, dass hier der Eindruck erweckt werden soll, es würden alle (!) Kosten erstattet werden?

Für schlichtweg unseriös halte ich schließlich das beigefügte und zu unterschreibende Anmeldeformular, auf dem Kleingedruckte steht, dass man sich die genauen Tarifunterlagen selbst besorgt habe. Sie hätten in die Werbung hineingehört.

Gesundheitsrecht für angehende Ärzte

Angehende Ärzte bereiten sich auf ihr Examen u.a. durch das massenhafte Ankreutzen von Multiple-Choice-Aufgaben vor. Ähnlich wie beim Führerschein. Nur, dass die falschen Antworten nicht offensichtlich falsch sind, sondern das oftmals alle Antworten richtig sein könnten – es eben nur nicht sind. Recht undankbar also. Der geneigte Jurist ist froh, dass er in seinen Klausuren jeweils fünf Stunden Schreiben kann, also Nichtwissen bis zu einem gewissen Grad kaschierbar ist.

Was ich aber nie verstehen werde ist, weshalb zur Vorbereitung auf das medizinische Staatsexamen einzelne Paragraphen abgefragt werden. Erstens vergessen das die angehenden Ärzte sowieso wieder. Und zweitens käme kein Jurist darauf, Paragraphen abzufragen. Wozu auch? Dafür gibt es Gesetzestexte…Und während Ärzte durchaus schnelle Entscheidungen treffen müssen und dafür Wissen auch abrufbar sein muss, gehört das Wissen um den richtigen Absatz eines Paragraphen nun wirklich nicht zu den am Krankenbett oder im OP notwendigen Fähigkeiten.

Einigermaßen sinnbefreit daher die Frage an den angehenden Arzt:

Was wird durch § 35a KJHG geregelt?

A: Die Eingliederungshilfe bei seelischer Behinderung

B: Das Umgangsrecht des Kindes mit jedem Elternteil

C: Die freie Wahl zwischen Einrichtungen und Dienstleistungen verschiedener Träger

„D“ und „E“ gibt es auch noch als Antwortmöglichkeit, ich gebe sie aber hier nicht wieder…Reicht ja auch.

Die richtige Antwort lautet: Der Blick ins Gesetz verrät es.

Wozu soll ein angehender Arzt das wissen? Was hat er davon?

Kostenentscheidung bei Haupt- und Hilfsantrag

Ein übliches anwaltliches Vorgehen ist es, Anträge bei Gericht zu bedingen, d.h. einen Hauptantrag zu stellen und dazu noch einen (echten) Hilfsantrag. Wenn man im Hauptantrag Erfolg hat, wird über den Hilfsantrag nicht entschieden. Hat der Hauptantrag keinen Erfolg, kann man mit dem Hilfsantrag zumindest etwas Anderes von dem bekommen, was man eigentlich wollte. Man bekommt ein bisschen weniger, aber immerhin geht man nicht Leer nach Hause. Da man aber den Hauptantrag verloren hat, verliert man auch hinsichtlich der Gerichts-, Anwaltskosten usw. wenigstens zum Teil, § 45 GKG iVm § 92 ZPO

Ein Zahnarzt wollte mit einem Heilpraktiker Praxisräumlichkeiten teilen, im Einzelfall aber auch medizinisch mit diesem zusammenarbeiten. Die Zahnärztekammer fand diese Idee nicht besonders gut, die Sache landete vor dem Verwaltungsgericht.

Dort beantragte der Zahnarzt, festzustellen, dass er wirtschaftlich mit dem Heilpraktiker (durch gemeinsame Nutzung von Sozialräumen, Wartezimmer o.ä.) zusammenarbeiten; hilfsweise, dass er medizinisch mit diesem kooperieren dürfe.

Dabei fällt auf, dass der Hilfsantrag weiter geht als der Hauptantrag.

Das Verwaltungsgericht gab dem Zahnarzt inhaltlich in vollem Umfang recht. Er darf medizinisch und wirtschaftlich mit ihm kooperieren. Gleichzeitig wies das Gericht aber den Hauptantrag ab, denn da der Zahnarzt auch medizinisch mit dem Heilpraktiker zusammenarbeiten wollte, hätte eine Feststellung, die wirtschaftliche Zusammenarbeit sei erlaubt, nicht genügt.

Käme nicht eine Umdeutung in einen unechten Hilfsantrag in Betracht? Über den unechten Hilfsantrag wird entschieden, wenn der Hauptantrag Erfolg hat – anders als beim echten Hifsantrag, der gerade bei Misserfolg des Hauptantrages greift. Zumindest hat das Gericht dies nicht getan.

Interessant wäre nun zu wissen, wie das Gericht die Kostenfrage gelöst hat. Einerseits müsste nach den oben genannten Normen der Zahnarzt teilweise unterlegen sein, d.h. auch einen Teil der Kosten tragen. Immerhin hat das Gericht ja auch seinen Hauptantrag abgewiesen, weil der Zahnarzt vor allem medizinisch kooperieren wollte. Zugleich aber darf der Zahnarzt ja nun sowohl wirtschaftlich als auch medizinisch kooperieren, hat also den Inhalt beider Anträge zugesprochen bekommen und kann in Zukunft auch nur wirtschaftlich, nicht medizinisch kooperieren.

Hier wäre ein Vorgehen ohne Hilfsantrag mit Feststellungsbegehren der Zulässigkeit einer medizinischen Koorperation wohl sinnvoller gewesen.

Das Urteil: VG Stuttgart, MedR 2004, 634.

Chirurgen

Neulich habe ich ein klein wenig über die Ärztezeitung geschmunzelt. Vielleicht aber haben sich die Redakteure dort einfach bei den Ärzten umgesehen. Ich finde es ja sehr vorbildlich, dass die ärztlichen Fachgruppen um Nachwuchs kämpfen. Etwa Chirurgen mit www.chirurg-werden.de

Aber…Als ich die Werbung in einer gedruckten Anzeige sah…

„Wir legen alle flach. Kein Durchschnittsjob: ChirurgIn“

Wer denkt sich denn so etwas aus?Was für Nachwuchsmediziner möchte man denn da ansprechen?