PKV-Beiträge sollen kräftig steigen

Wie derzeit immer wieder zu lesen ist, sollen die Beiträge für die Private Krankenversicherung im Jahr 2017 deutlich ansteigen. Zwei Drittel der PKV-Versicherten müssten mit Beitragserhöhungen rechnen – und zwar von kräftigen elf Prozent durchschnittlich. In der Spitze würden die Beiträge um bis zu 16 Prozent steigen. Grund sollen insbesondere die schwachen Zinsen sein, die die Versicherer an den Kapitalmärkten u.a. für die Altersrückstellungen der Versicherten erzielen.

In der umlagefinanzierten Gesetzlichen Krankenversicherung scheinen Beiträge und Zusatzbeiträge erst einmal stabil zu blieben. Abwarten, was nach der Wahl im Herbst 2017 kommt…

Abseits der notorischen Ausgabensteigerungen, etwa für Arzneimittel, partizipieren PKV-Versicherte also besonders an den Zuständen an den internationalen Kapitalmärkten und den Risiken, die sich aus der Alters- und Krankheitsstruktur ihrers jeweiligen Tarifes ergeben, während GKV-Versicherte an den Einkommensentwicklungen und dem Arbeitsmarkt „partizipieren“ dürfen.

Folgen der Aufhebung der Preisbindung bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln

Wie sich das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 19.10.2016 (vgl. Urteilszusammenfassung) auswirken wird, ist noch völlig unklar.

Obwohl die Bundesregierung behauptet hat, die bisherige und nun von EuGH gekiptte Preisbindung solle zu hohen Arzneimitelpreisen entgegengwirken, sind die Arzneimittelkosten bisher die treibenden Kosten in der gesetzlichen wie auch in der privaten Krankenversicherung. Die Preise sind im Europavergleich für viele Arzneien nirgendwo so hoch, wie in Deutschland.

Durch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs bleibt die Preisbindung für inländische Apotheken und Versandapotheken bestehen, während für in anderen Mitgliedsstaaten der europäischen Union ansässige Versandapotheken, die nach Deutschland liefern, diese Preisbindung gerade nicht mehr besteht.

Während die beklagte Versandapotheke aus den Niederlanden das Urteil verständlicherweise begrüßte, reagierten die Apotheker entsetzt. Forderungen, den Apothekenversandhandel zu verbieten werden laut. Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände sieht in dem Urteil eine Aushebelung des deutschen gesetzgeberischen Willens. Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie erwartet einen Steigerung des Drucks auf die Arzneimittelpreise.

Sollten Versandapotheken aus anderen europäischen Mitgliedsstaaten nun einen Preiskampf beginnen, so wird die Situation gerade für Apotheken in ländlichen Regionen Deutschlands zunehmend schwieriger werden. Bereits heute ist die Zahl der Apotheken rückläufig.

Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs beruht auf einer reinen wirtschaftlichen Betrachtungsweise. Der Vergleich einer Apotheke vor Ort mit einer Versandapotheke geht fehl: Apotheker vor Ort sind nicht nur Verkäufer von Arzneimitteln. Apotheker mischen Rezepturen an, klären den Patienten über die Einnahme und Nebenwirkungen von Medikamenten auf, besprechen Medikationspläne und bedienen die Kunden auch im Rahmen von Nacht- und Notdiensten.

Durch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs wird keine Ungerechtigkeit ausgeglichen, sondern erst geschaffen. Während ausländische Versandapotheken bereits eine deutlich günstigere Kostenstruktur durch weniger Personal, geringere Mietkosten und bessere Einkaufskonditionen bei Pharmaunternehmen aufweisen, können sie nunmehr auf Grund der für sie nicht mehr existierenden Preisbindung diese Einsparungen an den Kunden weitergeben und deutsche Apotheker, die tagtäglich Service vor Ort erbringen, vom Markt verdrängen.

EuGH kippt deutsche Preisbindung für verschreibungspflichtige Arzneimittel

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschied mit Urteil vom 19. Oktober 2016, dass die deutsche Preisbindung bei verschreibungspflichtigen Medikamenten gegen Unionsrecht verstoße.
Dem Urteil liegt folgender Sachverhalt zu Grunde: die deutsche Parkinson Vereinigung handelte mit der niederländischen Versandapotheke DocMorris ein Bonussystem aus, das Mitglieder der Vereinigung bei dem Erwerb verschreibungspflichtiger Parkinson-Medikamente zu gute kam.
In diesem Bonussystem sah die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs einen Verstoß gegen den einheitlichen Apothekenabgabepreis für verschreibungspflichtige Arzneimittel und stellte einen Antrag auf Untersagung der Bewerbung dieses Bonussystems.
Während das Landgericht Düsseldorf dem Antrag entsprach, legte das Oberlandesgericht Düsseldorf dem EuGH die Frage vor, ob die Festlegung einheitlicher Apothekenabgabepreise für verschreibungspflichtige Humanarzneimittel mit dem freien Warenverkehr vereinbar sei.

Der EuGH urteilte, dass durch die Festlegung einheitlicher Apothekenabgabepreise für verschreibungspflichtige Arzneimittel eine nicht gerechtfertigte Beschränkung des freien Warenverkehrs darstelle, da sich die Festlegung der einheitlichen Preise stärker auf ausländischer Apotheken anderer Mitgliedstaaten auswirke, als auf inländische. Der Zugang zum deutschen Markt werde somit für Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten stärker behindert als für inländische Erzeugnisse. Die deutsche Preisbindung sei somit mit Unionsrecht nicht vereinbar.

Bisher galt in Deutschland: jedes verschreibungspflichtige Medikament kostete in jeder Apotheke gleich viel. Dies wird in Anbetracht dieses EuGH-Urteils in Zukunft nicht mehr gelten.

Haben Sie Fragen zu dem Urteil? Rechtsanwälte Dr. Ruppel berät sie gerne zu diesem Thema und in allen Fragen des Medizinrechts.

Klinikträger haftet bei nicht persönlicher Leistungserbringung auch dann, wenn Schaden auch bei anderem Operateur eingetreten wäre

Der Bundesgerichtshof (BGH, Urteil vom 19. Juli 2016, Az. VI ZR 75/15) hat entschieden, dass der Träger einer Klinik dem Patienten, der durch eine Operation einen – nicht behandlungsfehlerhaften – Gesundheitsschaden erlitten hat, auch dann haften kann, wenn der Schaden bei einem anderen Operateur ebenfalls eingetreten wäre:

Der Patient hatte eine Wahlleistungsvereinbarung geschlossen, wonach er von einem Chefarzt operiert werden sollte. Die Operation wurde jedoch durch einen Oberarzt ausgeführt. Nach der Operation stellen sich gesundheitliche Beeinträchtigungen ein.

Obwohl festgestellt wurde, dass die Operation behandlungsfehlerfrei durchgeführt wurde und die Folgen auch bei Behandlung durch den Chefarzt entstanden wären, haftet der Klinikträger auf Schadensersatz.

Denn, so der BGH, die Einwilligung des Patienten in die Operation bezog sich ausschließlich auf den Chefarzt. Die Behandlung durch den Oberatzt war dementsprechend ein rechtswidriger, nicht durch die Einwilligung gedeckter, Eingriff in die körperliche Integrität des Patienten.

Die Klinik, die sich auf die Rechtsfigur des „rechtmäßigen Alternativverhaltens“ – wonach die gleichen gesundheitlichen Folgen auch bei Operation durch den Chefarzt eingetreten wären – berief, war damit nicht erfolgreich. Denn der Bundesgerichtshof verwehrte der Klinik aus rechtlichen Gründen das Berufen auf diese Rechtsfigur: Wer eine Chefarztbehandlung vereinbare, müsse diese auch bekommen. Zumindest müsse rechtzeitig augeklärt werden, wenn der Chefarzt verhindert sei. Bereits früher hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass bei Verhinderung des Wahlarztes der Patient auch über die Möglichkeit der Verschiebung der Operation aufzuklären sei, soweit die Verschiebung medizinisch möglich ist.

Rechtsanwälte Dr. Ruppel berät zur Pflicht zur höchstpersönlichen Leistungserbringung und vertritt Ärzte und andere Leistungserbringer in Haftungsfragen. Wir beraten auch zur rechtssicheren Gestaltung von Vertretungsregeln, etwa durch leitende Oberärzte.

Systematische Prämien der Krankenkassen, um Diagnosen zu manipulieren?

Wie Spiegel Online berichtet, hat der Chef der Techniker Krankenkasse eingeräumt, dass seine und andere Kassen systematisch Ärzte und Ärztevereinigungen gegen Geldzahlungen dazu gebracht, Diagnosen zu verschärfen, um selbst mehr Geld aus dem Risikostrukturausgleich der Gesetzlichen Krankenkassen zu erhalten. Der TK-Chef geht von Summen von einer Milliarde Euro seit 2014 aus, die von den Kassen hierfür geflossen seien. Er nannte Prämien von zum Beispiel 10 Euro pro Arzt und Fall, um Diagnosen zu verschärfen.

Auf den  – ersten – Blick dürfte die Annahme der Gelder durch Ärzte nicht den neuen Antikorruptionststatbeständen §§ 299a, b StGB unterfallen, weil es weder um Verordnungen noch um den Bezug von Arzneimitteln o.ä. geht oder den Kassen Patienten oder Untersuchungsmaterialien zugeführt wurden. Da die angenommenen Zahlungen nichts mit der Heilbehandlung von Patienten zu tun haben, wären im Einzelfall jedoch ggf. umsatz- und gewerbesteuerrechtliche Infektionen zu prüfen.

Rechtsanwälte Dr. Ruppel berät in den Blick der Strafverfolgungsbehörden geratene Ärzte in allen Fragen des Medizinstrafrechts.

In jedem Fall dürfte man angesichts der Schadenssumme und der Fehlverteilung der Mittel innerhalb der GKV hiervon auch in Zukunft noch hören.

 

Zulassungsverzicht zum Zwecke der Anstellung beim MVZ vom BSG weitgehend verhindert

Ein Paukenschlag für Vertragsärzte, MVZ und Anwälte war das Urteil des Bundessozialgerichts, in dem das Gericht den Verzicht auf die vertragsärztliche Zulassung zum Zwecke der Anstellung sehr erschwerte. Die zugrunde liegende Regelung des SGB V sieht vor, dass das eigentlich notwendige Nachbesetzungsverfahren dann nicht notwendig ist, wenn der Vertragsarzt auf seine Zulassung verzichtet und sich anstellen lässt.

Um die Risiken eines Nachbesetzungsverfahrens (etwa die Einziehung des Kassenarztsitzes durch die Kassenärztlichen Vereinigungen in überversorgten Gebieten) zu verhindern, wurde der Verkäufer der Praxis oft für eine „Schamfrist“ beim Käufer seiner Praxis angestellt.

Gerade dort, wo mit dieser Kontruktion die ärztliche Tätigkeit langsam ausgeleitet werden sollte, bestand jedoch kein großes Interesse, tatsächlich einige Jahre als Angestellter zu arbeiten.

Diese für die Beteiligten sehr attraktive Strategie hat das Bundessozialgericht nun verhindert, in dem es eine tatsächliche, mehrjährige Tätigkeit fordert. Andernfalls geht der Vertragsartsitz zumindest teilweise unwiderbringlich verloren. Das BSG fordert eine Tätigkeit von drei Jahren, soll der gesamte Sitz übergehen. Die schrittweise Reduzierung des Tätigkeitsumfangs um jeweils eine viertel Stelle in Abständen von jeweils einem Jahr ist unschädlich.

Nunmehr liegen die ausführlichen Urteilsgründe des BSG vor. Rechtsanwälte Dr. Ruppel – Kanzlei für Medizinrechtrecht und Gesundheitsrecht berät Ärzte und MVZ über die Auswirkungen dieses Urteils auf die Praxisnachfolge.

Neu ab Oktober: Hausärzte müssen Medikamentationsplan erstellen

Ab Oktober müssen Hausärzte  – oder wenn der Patient keinen Hausarzt hat auch Fachärzte – Patienten einen Medikamentationsplan erstellen. Voraussetzung ist, dass der Patient mindestens drei systemisch wirkende, ihm verordnete, Arzneimittel gleichzeitig nehmen muss. Zudem muss eine dauerhafte Anwendung von mindestens vier Wochen geplant sein.

Der Medikamentationsplan ist zunächst auf Papier zu führen, ab 2018 dann elektronisch.

Der ausstellende Arzt ist auch verpflichtet, diesen zu aktualisieren. Weitere Aktualisierungen sind auch die Fachärzte, Krankenhäuser und Apotheken möglich.

Die Vergütung erfolgt extrabudgetär.

Bei nicht chronisch kranken Patienten können Hausärzte eine Einzelleistungsvergütung nach der neuen EBM-GOP 01630 abrechnen. Stand Oktober 2016 sind dies 39 Punkte bzw. 4,07 Euro.

Für die Behandlung chronisch Kranker erfolgt bei Hausärzten ein Zuschlag auf die Chronikerpauschale, der unabhängig davon gezahlt wird, ob ein Medikationsplan zu erstellen beziehungsweise zu aktualisieren ist. Fachärzte können je nach Arztgruppe und Erkrankung entweder ebenfalls die GOP 01630 in Ansatz bringen oder erhalten einen Zuschlag zur jeweiligen Grundpauschale von zwei bis neun Punkten.

 

Delegation von Hausbesuchen – neues Buch von Rechtsanwalt Dr. Ruppel erschienen

Rechtsanwalt Dr. Ruppel hat sich zusammen mit Wissenschaftlern der Universitätsmedizin Greifswald mit der Delegation von Hausbesuchen insbesondere in unterversorgten Gebieten beschäftigt. Die wichtigsten Ergebnisse seiner Untersuchung, die die Frage aufgreifen, ob KBV und Spitzenverband Bund der Krankenkassen an ein bestimmtes Delegationsmodell – AGnES – gebunden waren oder auch andere Delegationsmodelle von Bundestag und Bundesrat zugelassen wurden, liegen nunmehr in Buchform vor:

AGnES in der Regelversorgung
Mangelhafte Umsetzung des § 87 Abs. 2b S. 5 SGB V in Bundesmantelvertrag und EBM

ist im Buchhandel und beim Erich-Schmidt-Verlag Berlin erhältlich.

Der Verlag hierzu in seiner Ankündigung:

„Hausärztemangel trifft auf innovative Versorgungsformen: Angestoßen durch das AGnES-Projekt der Universitätsmedizin Greifswald wurde das SGB V so novelliert, dass die Delegation von ärztlichen Tätigkeiten an nichtärztliche Mitarbeiter auch bei Abwesenheit des Arztes erlaubt wurde.

AGnES-Nachfolgeprojekte – fehlende Rechtssicherheit

Wo es bei der Umsetzung des gesetzgeberischen Willens durch die Selbstverwaltung jedoch noch hapert und dringend Nachbesserungsbedarf besteht, untersucht Dr. Thomas Ruppel jetzt erstmals systematisch – und kommt zum gleichermaßen alarmierenden wie auffordernden Ergebnis, dass die Regelungen im Bundesmantelvertrag überwiegend als rechtswidrig einzustufen sind.

Eine interdisziplinäre Perspektive

Wer als Jurist oder Mediziner, als Verwaltungspraktiker oder betrauter Experte Verantwortung trägt, findet hier eine Fülle praktischer Erkenntnisse und Einschätzungen, um den Herausforderungen des Hausärztemangels effizienter, sicherer und
versorgungswirksam zu begegnen.“